Vortragsveranstaltung und Arbeitstagung D.I.B. und AGT am 12. und 13. November in Rosenheim
H. Pechhacker, hc.pechhacker@aca.at
ACA-Vertreter werden zu allen Züchtertagungen des DIB bzw. der AGT eingeladen. Die Tagung in Rosenheim war aber eine „Antwort“ auf die gemeinsame Tagung 2007 in Kuchl.
Die ACA wurde als „ganzes“ extra zu dieser Tagung eingeladen. Dafür gebührt dem DIB und der AGT Dank! Das Generalthema der heurigen Fachtagung lautete „Paarungsbiologie und Belegstellen“. Der Vortragsraum war zum Bersten gefüllt. Allein rund 50 ACA-Mitglieder besuchten die Veranstaltung! Das bedeutet, dass sich die Züchter der Wichtigkeit der Belegstellen für den Zuchterfolg bewusst sind. In diesem Bericht sollen die wichtigsten Aussagen in den Referaten erwähnt werden. Außerdem verfasst die AGT eine Broschüre mit den gesamten Vorträgen. Die Broschüre wird über das Institut Kirchhain zu beziehen sein.
Die Fachvorträge
Den ersten Vortrag hielt Dr. Gudrun Koeniger zum Thema „Fruchtbarkeit von Drohn und Königin: Spermatogenese, Spermatransfer und Spermanutzung“. Der Titel klang sperrig und rein wissenschaftlich, doch es wurden für die Belegstellenpraxis enorm wichtige Ergebnisse gezeigt.
Die Spermien bilden sich bereits im Larvenstadium des Drohns. Nach dem Schlupf wandern die Spermien in die Hoden. Dort reifen sie bis zum 12. Tag. In dieser Zeit werden die Drohnen im Volk gehegt und gepflegt. Das ist wichtig für die Fitness der Drohnen. Die Qualität der Drohnen wird nach Dr. Gudrun Koeniger von verschiedenen Faktoren beeinflusst. Die Anzahl und Lebensfähigkeit der Spermien ist wichtig. Kleine Drohnen haben weniger Spermien (die Ernährung beeinflusst die Drohnengröße). Versuche zeigten, dass die Temperatur der Drohnenbrut sehr entscheidend ist. Bei 33oC Bruttemperatur haben die Drohnen nur rund die Hälfte der Spermien von Drohnen, die bei einer Brutnesttemperatur von 34,5 - 35 oC gehalten werden. Bei 36 oC sind alle Spermien tot. Einen dramatischen Einfluss auf die Fitness und die Spermienanzahl der Drohnen hat auch der Varroabefall während der Puppenphase. Unbefallene Drohnen haben rund 7 Millionen Spermien, bei einer Varroa nur 5,5 Millionen und bei 2 Varroamilben noch weniger Spermien und mangelnde Fitness, was Paarungsunfähigkeit bedeutet. Bei der künstlichen Besamung stellte sich heraus, dass Königinnen, die mit Sperma von Drohnen aus weisellosen Völkern besamt wurden, weniger Sperma in der Samenblase haben.
Schlussfolgerungen für die Zuchtarbeit:
• hochwertige Drohnen bedeutet auch hochwertige Königinnen
• das Sperma von den 10 und mehr Drohnen wird in der Samenblase der Königin im Laufe der Zeit durchmischt, aber im Laufe eines Jahres kommen manchmal verschiedene Spermienpakete häufiger zum Zug.
• Vorsicht beim Transport der Drohnenvölker. Wenn ein Drohnenvolk braust und erhöhte Stocktemperatur hat, sind die Drohnen unter Umständen wegen Überhitzung unfruchtbar.
• die Pflege der Drohnenvölker ist mit entscheidend für die Spermienmenge und Fitness der Drohnen.
• der Varroabefall in der Puppenphase hat ganz großen Einfluss auf Spermienanzahl und Fitness. Dieser natürliche Selektionsdruck durch die Varroamilbe wird aber auch auf den Varroatoleranzbelegstellen genutzt.
• da die Königin bei ihren Hochzeitsflügen nicht die empfangene Spermamenge registriert, sondern nur die Anzahl der Paarungen zählt, sind fitte Drohnen sehr wichtig.
Vortrag Hermann Pechhacker „Drohnenflugweiten und Paarungsdistanzen von Königinnen“. Die Brüder Friedrich und Hans Ruttner betrieben schon vor 1955 Zucht auf wissenschaftlicher Basis – Nachweis der Mehrfachpaarung, Leistungsprüfmethode, Zuchtwertschätzung, künstliche Besamung. Die logische Folge waren dann Versuche zum Paarungsverhalten von Drohnen und Königinnen. Es wurden Drohnensammelplätze gefunden, Drohnenflugweiten und Paarungsdistanzen als Grundlage unserer heutigen Belegstellenregeln festgestellt.
Eine Zusammenfassung aus diesen Versuchen: Drohnensammelplätze in den Alpen sind immer am gleichen Platz und sehr klar abgegrenzt. Außerhalb dieser Sammelplätze ist eine Königin für die Drohnen uninteressant. Drohnen (und sicher auch die Königinnen) orientieren sich nach Geländemarken am Horizont. Das bedeutet, dass sie dem stärksten (UV-) Lichteinfall sehr oft talauswärts entgegenfliegen. Sie finden dabei die Sammelplätze ganz gezielt. Normal suchen die Drohnen den nächstgelegenen Sammelplatz auf – „je näher desto besser“. Dadurch kann ein Drohn länger auf einem Sammelplatz bleiben und dadurch erhöht sich seine Chance, sich mit einer Königin zu paaren. In den Versuchen wurde aber festgestellt, dass trotzdem 10% der Drohnen weiter als 5 km vom Stand wegfliegen. Festgestellte Extremflugweiten von über 7 km kamen vor und dabei waren noch rund 1200 Höhenmeter zu überwinden. Die Flugweite der Drohnen hängt im Gebirge sehr stark von der Geländegestaltung ab. Spätere Versuche zeigten, dass ein Drohnensammelplatz auch eine Art „gesellschaftliches“ Ereignis ist – sind zu wenig Drohnen vorhanden, kommt kein Sammelplatz zustande. Einzelne Drohnen besuchen bei einem Ausflug unter Umständen auch mehrere Sammelplätze. Versuche um 1995 in Lunz bewiesen auch ganz klar, dass Drohnen keine Streuner sind. Sie müssen aus biologischen Gründen (sie können in der Natur nicht „auftanken“) immer wieder zu ihrem Bienenstand zurück.
Zu den Paarungsdistanzen: in den Ruttner´schen Versuchen wurden vier genetisch markierte Drohnengruppen und über 200 Cordovan-Königinnen (genetisch rezessiv lederbraun markiert) vorwiegend an den bekannten Drohnensammelplätzen im sonst „drohnenfrei“ gemachten Lunzer Raum aufgestellt. Auf den Sammelplätzen wurde durch regelmäßigen Drohnenfang die genetische Zusammensetzung der Drohnen festgestellt. Nur 10% der Königinnen wurden direkt an ihrem Aufstellungsort begattet. Ebenso 10% der Königinnen hatten eine Paarungsdistanz von über 4,5km. Die aus den Versuchsergebnissen geschätzte durchschnittliche Paarungsdistanz betrug mehr als 2 km, die festgestellte maximale Paarungsdistanz betrug 12 km. 1994 durchgeführte Versuche in Lunz zeigten nochmals den Einfluss der Landschaftsgestaltung auf die Paarungsdistanz. „Sehen“ Drohnen und Königinnen auf einen gemeinsamen Sammelplatz, kann auch im Gebirge die Paarungsdistanz 8 km betragen. Besteht zwischen Königinnen und Drohnen ein Höhenrücken von nur wenigen 100 m relativer Höhe, kommt es selbst in 2 km Entfernung zwischen Drohnenstandort und Aufstellungsplatz der Königinnen zu keiner Paarung. Höhendifferenzen beeinflussen die Paarungsdistanz nicht, Königinnen und Drohnen messen offenbar so wie die Arbeitsbienen die (horizontale) Luftlinienentfernung.
Prof.Dr. Niko Koeniger: „40 Jahre Drohnensammelplatz – Forschung: von Lunz 1965 bis Elsfleth 2005“. Es gibt keine Paarung im Volk. Eine Bruder – Schwesterpaarung würde dem Volk wegen der Inzucht 25% der Arbeitsbienen kosten. Die Paarungsbiologie der Bienen ist daher auf Inzuchtvermeidung ausgerichtet. Ein Drohn hat mehr als 50.000 Riechorgane an den Fühlern. Trotzdem ist für ihn und auch für die Königin der Paarungstrieb im Stock geblockt. Die Königin besucht bei ihren Paarungsflügen in der Regel immer den gleichen Sammelplatz. Dieser Sammelplatz ist aber eher ein entfernter gelegener. Nur rund die Hälfte der Königinnen wird am nahe gelegenen Sammelplatz begattet. Eine Königin soll auf ihren Ausflug nicht länger als 30 Minuten unterwegs sein, dann je kürzer sie unterwegs ist, desto besser ist sie begattet. Drohnen besuchen in der Regel den nächst gelegenen Sammelplatz, verbleiben dort 10 bis 15 Minuten und bleiben dann rund 30 Minuten in ihrem Volk zum „Auftanken“. Ein Drohn fliegt an einem Nachmittag (ab 13,30 bis 14 Uhr und bis 17 Uhr – Königinnen beginnen rund eine halbe Stund später mit den Paarungsflügen und hören dann auch früher auf) drei bis viermal aus.
Ein Drohnensammelplatz ist dann stabil, wenn sich dort mindestens rund 11.000 Drohnen aufhalten. Dabei wurden zum Beispiel auf einem guten Drohnensammelplatz in offenem Gelände Drohnen aus bis zu 240 verschiedenen Völkern festgestellt. Im extremen Flachland wie Ostfriesland findet man keine klaren Drohnensammelplätze – je näher zu einem Bienenstand, desto mehr Drohnen sind in der Luft. Prof. Koeniger wies auch darauf hin, dass sich Carnicaköniginnen tendenziell häufiger mit Carnicadrohnen und Ligusticaköniginnen häufiger mit Ligusticadrohnen paaren, wenn sich Drohnen der beiden Rassen auf einem Sammelplatz befinden.
Heidinger / Berg / Büchler „Paarungssicherheit in Abhängigkeit von Anzahl und Verteilung der Drohnenvölker“. Eine Antwort auf die Frage „Welche Rolle spielt die Anzahl der Drohnenvölker (Drohnen) in bezug auf die Paarungssicherheit einer Belegstelle?“ ist für die Belegstellenpraxis von großer Bedeutung. Auf zwei Landbelegstellen ( Gelberg und Oberhof) waren 13 bzw. 20 Drohnenvölker aufgestellt. Dann wurde die Völkerzahl auf 47 erhöht und wieder abgebaut. Bei vielen Völkern auf der Belegstelle waren die Paarungsflüge der Königiinnen kürzer (8 bis 10 anstatt 12 Minuten). Das weist auf eine bessere Paarung hin und reduziert das Risiko, dass Königinnen verloren gehen. Frühere Versuche mit der gleichen Methode zeigten, dass bei erhöhter Drohnenvölkeranzahl eine Reinpaarung selbst auf den sonst unsicheren Landbelegstellen möglich ist.
Uzunov / Büchler „Frequenz und Dauer von Paarungsflügen auf einer kleinen Insel“.
Auf einer bienenfreien, rund 20 ha großen Insel am Prespasee in Mazedonien wurden Paarungsversuche durchgeführt, um die Eignung dieser Insel als Belegstelle zu überprüfen. Die Insel ist Richtung Albanien 2 km und Richtung Griechenland 3 km vom Festland entfernt. Trotzdem es am Festland Bienenstände gibt, konnten auf der Insel keine Bienen auf den Blüten gefunden werden. Es wurden dann 5 Bienenvölker mit insgesamt rund 8.000 reifen Drohnen und 25 paarungsreife Königinnen auf die Insel gebracht. Die Paarungsflüge der Königinnen wurden kontrolliert und ein Drohnensammelplatz wurde gefunden. 60 % der Königinnen kamen mit Begattungszeichen zurück. Die kürzeste Flugzeit der Königinnen mit Begattungszeichen war nur 2 Minuten, die längste gegen 30 Minuten. Diese kurze Flugzeit bei den Paarungsflügen lässt vermuten, dass die Königinnen auf der Insel begattet wurden.
Die Ergebnisse lassen vermuten, dass eine derart kleine Insel mit geringem Abstand zum Festland durchaus als Belegstelle geeignet sein kann – besonders wenn ein Drohnenüberschuss auf die Insel gebracht wird.
K. Bienefeld „Erste Auswertung der Daten aus der Merkmalsdatenbank bezüglich der Sicherheit von Belegstellen“. Noch ist eine Belegstellenüberprüfung anhand der Merkmalsdatenbank schwierig. Es gibt noch zu wenig Daten. Probleme treten auf, wenn von der Mutter keine Daten vorliegen oder wenn die Mutter bereits Fehlpaarungen aufwies (Drohnenmerkmale werden eine Generation früher festgelegt). Bisher enthält die Datenbank 2.400 Proben von Arbeiterinnen (davon 100 untypisch) und 2.200 Drohnenproben (218 untypisch). Der durchschnittliche Cubitalindex beträgt 3,14 (min. 1,95, max. 4,2). 1960 lag der durchschnittliche Cubitalindex der Arbeiterinnen bei 2,68, 1984 bei 3,0 und 2010 bei 3,16. Bienefeld wies darauf hin, dass das Merkmal Cubitalindex mit keinem in der Leitungsprüfung beurteilten Merkmal zusammen hängt und dass der Index ein gutes Merkmal zur Paarungskontrolle ist.
Büchler / Heidinger / Dyrba „Erfahrungen mit dem Konzept der AGT – Toleranzbelegstellen“. Deutschland betreibt derzeit sieben Varroatoleranzbelegstellen! Die Varroamilbe hat sehr großen Einfluss auf Anzahl und Qualität der Drohnen in einem Volk, weil Drohnen sehr empfindlich auf den Varroabefall reagieren. Hoher Befall eines Volkes bedeutet weniger Paarungen und weniger Nachkommen. Die Paarungseffizienz der Drohnen ist zwischen den Völkern sehr verschieden. Es muss auf einen Drohnenüberschuss auf einer Toleranzbelegstelle geachtet werden. Das heißt, es müssen mehr Drohnenvölker als üblich gehalten werden – 10 Drohnenvölker sind zu wenig. Varroatoleranzbelegstellen sind entweder mit einer Geschwistergruppe oder auch als „Mischbelegstelle“ mit Drohnenvölkern verschiedener Abstammung (bis zu fünf Geschwistergruppen) beschickt. Auf die einzelnen Toleranzbelegstellen werden 100 oder bis 2.000 Königinnen aufgeführt. Auf einer Toleranzbelegstelle ist die ständige Befallskontrolle sehr wichtig. Ab einem Bienenbefall von 1 bis 2% wird es kritisch. Zur Völkerführung gehört auch, dass um den 20. Juli den Völker die Brut entnommen wird. Eine Fangwabe wird dabei dem Flugling belassen und nach der Verdeckelung entnommen. So kommen die Völker ohne weitere Behandlung durch.
Erste Ergebnisse zeigen tendenziell, dass Königinnen von Toleranzbelegstellen besser überwintern, dass sie im Pintest besser abschneiden und besonders im August weniger Milben in ihren Völkern haben. Büchler wies auch darauf hin, dass für die Toleranzbelegstellen ein sehr hoher Betriebsaufwand notwendig ist, die Haltung der Drohnenvölker eine Gratwanderung ist und die Imker der Umgebung von der Belegstelle mitarbeiten müssen.
Einige Hinweise zur abschließenden Diskussion mit dem Thema „Welche Anforderungen sind aus heutiger Sicht an Belegstellen zu stellen“. Am Betrieb und der Nutzung der Toleranzbelegstellen soll die breite Masse der Züchter / Imker mitarbeiten! Vor allem Züchter müssen widerstandsfähigere Königinnen suchen. Je mehr Drohnen sich auf einer Belegstelle befinden, umso kürzer sind die Paarungsflüge der Königinnen (= geringeres Risiko von Königinnenverlusten) und umso mehr Spermien sind in der Spermateka. Auf einer Belegstelle sollten gleichzeitig 10.000, besser 15.000 Drohnen gleichzeitig in der Luft sein. In guten Drohnenvölkern kann man mit 2.000 bis 4.000 Drohnen rechnen. Zehn Drohnenvölker sind das Mindeste auf einer Belegstelle. Das stufenlose Alter der Drohnen regelt sich meist von selbst im Volk. In der Diskussion wurde nochmals auf die höhere Qualität der Drohnen in weiselrichtigen Völkern und auf die Gefahr der Überhitzung der Drohnenvölker bei der Anwanderung auf die Belegstelle hingewiesen.
Am 13.11. fand die Mitgliederversammlung der AGT statt. Auch in diesem Rahmen wurden neben den Vereinsagenden Fachvorträge (Bienefeld, Büchler) gehalten. Einige Hinweise daraus: Besonders in der Varroatoleranzzucht sollte mehr Sorgfalt auf der Drohnenseite gelegt werden, denn Belegstellen haben generell eine besondere Bedeutung für den Zuchterfolg. In der Honigleistung ist in der Zuchtpopulation im Vergleich zur allgemeinen Population ein deutlicher und ständiger Anstieg festzustellen, obwohl sich der Zuchtfortschritt im Zuchtverband auch auf die breite Masse der Völker positiv auswirkt. Die Inzucht in den AGT-Völkern ist eher geringer als in der Landpopulation! Die Größe der (Carnica-)Prüfpopulation (AGT, ACA u.a.) liegt derzeit bei rund 8.000 Völkern pro Generation. In der Beurteilung der Leistungsprüfvölker sollen auch besonders die Krankheiten (z.B. Kalkbrut) berücksichtigt werden.